Got our kick - on Route 66!

Foto: In Seligman auf der Route 66
Die Nacht war früh zu Ende und um kurz nach halb sieben sitzen wir schon im Auto. Losgehen kann es leider dennoch nicht so richtig, denn im Armaturenbrett leuchtet eine unbekannte Warnlampe. Ein Blick in die Bedienungsanleitung bestätigt den Verdacht: die automatische Reifendruckkontrolle meldet ein Problem. Gleich nebenan ist eine Tankstelle und schnell sind 4 Quarters in die Maschine gesteckt und es fließt Druckluft in den ersten Reifen. Aber halt - es ist keine Anzeige des Reifendrucks zu finden. Gabi düst zum Tankwart und kommt mit einem kleinen Prüfröhrchen zurück, dass den Druck anzeigt. 25 PSI (!?) sind drin - 40 müssen rein, also: pumpen - messen - pumpen - messen - ... und das bei allen 4 Reifen. Dann ist das Problem gelöst; wir fahren noch bei einer „Coffe to go drive throuh“-Dame vorbei, damit der Coffeingehalt in der Fahrerkabine auch stimmt.
Es geht westwärts und zwar zunächst mit berauschenden 75 mi/h auf der I-40, die dem Verlauf der ehemaligen Route 66 entspricht. Die verlassen wir aber bei Crookton, denn wir gönnen uns den kleinen Umweg auf der Weiterfahrt über ein erhaltenes Stück der „Historic Route 66“. Den Soundtrack dazu liefert Bruce Springsteen mit seinem Album „Born in the USA“. Es geht, wie so oft, geradeaus, die Sonne putzen. 2 Städtchen frönen ganz dem alten Geist: Seligman und das Nest Hackberry.
In Seligman schlendern wir ausgiebig umher und kaufen ein paar Souvenirs. Die Kamera klickt fleißig, denn das ist echt zu urig hier. Sie wird hin und wieder vom satten Geblubber der herantuckernden Harleys übertönt. Tolle Motive! Unser Frühstück nehmen wir stilecht und amerikanisch im „Roadkill Cafe“: „you kill it, we grill it“ ist das Motto dieses Ladens. Da wir aber keine überfahrenes Schwein oder Rind vorweisen können, kommt der Bacon aus dem Küchenvorrat und schmeckt klasse. Mit Kaffee satt im Körper und einer guten Kalorienbombe kann uns der Tag nun nichts mehr anhaben.
In Hackberry gibt es eigentlich nur einen General Store und wir wären glatt vorbei gefahren, wenn der Reiseführer den nicht als „Geheimtipp“ aufgeführt hätte. Hier hat der Besitzer alles an alten, verrosteten Karren herangeschafft, was zur „Mother of the Roads“ gehört. Er hat sich in einer alten Tankstelle mit noch älterer Werkstatt niedergelassen - das ist echt der Hammer hier. In Jahrzehnten hat sich allerlei angehäuft, was man nur als skurril bezeichnen kann. Klick, klick ...

Schon auf der Straße Richtung Norden und damit Las Vegas machen wir noch einen kleinen Abstecher: nach Chloride, einer halben Geisterstadt. Dort schauen wir uns auch auf dem historischen - aber aktuell noch genutzten - Wüstenfriedhof um. Puh - ganz anders; aber auch eine Erfahrung.
Vor Vegas überqueren wir die neue Colorado-Brücke und biegen zum Hoover Dam ab. Riesenstaudamm, eines der Vorzeigeprojekte der Amerikaner aus den 30ern - heute noch ein Monument. Sicherheitscheck, rein ins gigantische Parkhaus, noch ein Sicherheitscheck (wie am Flughafen), Eintritt bezahlen und schon sind wir in der Ausstellung und auf der Dammkrone. Spektakulär! Und: heiß!! Bisher war es ja schon immer lecker warm, bisweilen sogar recht heiß. Hier ist aber richtige „Ägypten-Hitze“ Puh, Wüstenklima pur. Daran werden wir uns erst mal wieder gewöhnen müssen.
40 Minuten später sind wir in Las Vegas. Die Fahrt war völlig unproblematisch und auch die Autobahn mit zwischenzeitlich 6 Spuren in eine Richtung macht Gabi keine Probleme. Beeindruckt überqueren wir den „Strip“, der uns heute Abend und Morgen noch ausgiebig kennen lernen soll (oder wir ihn?) - und da qualmt es vor uns gewaltig. Auf der 4-spurigen Straße hat sich ein Auto unmittelbar vor uns auf die Seite gelegt und dampft nun quer auf der Fahrbahn vor sich hin. Die Betonmauer am „Mittelstreifen“ der Tropicana Ave. ist zerbröselt - da muss er wohl hochgeschossen sein - es ging so schnell, dass man es kaum mitkriegte. Alle reagieren besonnen und halten an. Und da krabbelt auch schon der Fahrer Marke „Muskel-Rapper“ nach oben aus dem Seitenfenster. Sieht gut aus - zig Leute kümmern sich, wir fahren weiter und erreichen so unser America’s Best Value Inn.
Die freundliche Dame an der Rezeption plauscht gleich nett mit uns, gibt ein paar Tipps und schon sind wir im Zimmer. Unser Auto steht heute mit dem Kofferraum unter 1 m von der Zimmertür weg. Rekord.
Nun hat Gabi etwas geruht und geduscht. Vorher hat sie mich mit einer eisgekühlten Dose Budweiser versorgt, wohl weil ich „arbeite“

Es ist nicht weit zum „Las Vegas Boulevard“, wie der „Strip“ offiziell heißt. Die Tropicana Ave., an der unser America“s Best Value Inn liegt, mündet an der Stelle auf den Strip, an der sich die großen Casinos „MGM Grand“, „New York, New York“, „Excalibur“ und „Tropicana“ befinden. Wir liegen also ziemlich zentral und sind nach einigen Minuten im Getümmel - und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Alles hier ist falsch: viel zu viele Menschen, zu viel Lärm - vor allem die übereinanderliegende Geräuschkulisse macht uns zu schaffen, Hektik, grelles Leben, Party pur - aber ist das alles echt? Alle auf der Straße haben Getränke in der Hand. Die Männer meist eine Pulle oder Dose, die Damen vor allem bunte Riesengefäße aus Plastik, die der Form und Größe nach an eine türkische Wasserpfeife erinnern. Darinnen schlabbert eine quietschgrelle Flüssigkeit alkoholischer Art. Die etwas „feineren“ Ladys führen ein Glas Wein mit. Alle sprühen über vor Lebensfreude, sind „gut drauf“, haben Spaß, lassen sich von den überall herumhüpfenden Latinos Werbebildchen williger Damen zustecken, finden das offensichtlich normal und klasse und reden über-, unter- und durcheinander. Hier feiert sich die Wegwerfgesellschaft an den Rand des Wahnsinns und ist dabei, sich selber mit wegzuschmeissen. Ist es das, was diese Stadt ausmacht?
Obwohl man hier mit ess- und trinkbarem wahrlich tot geschmissen wird, drohen wir zu verhungern und zu verdursten. Das ist alles zu viel für unsere an Ruhe, traumhafte Landschaften und „echtes Leben“ gewohnten Sinne. Kulturschock total, optischer und akustischer Overkill, Systemüberlastung, Ausfall der Kühlaggregate, gänzliche Orientierungslosigkeit, „rien ne vas plus“, ich bin kein Star, holt mich trotzdem hier raus, Großstadtdschungelprüfung nicht bestanden?
Inzwischen sind wir am MGM, Hardrock Cafe, Planet Hollywood, und Paris, Paris vorbeigespült worden - in letzterem waren wir glaub ich sogar drin, Erinnerung habe ich keine wirkliche daran. Irgendwie gelangen wir an ein Stück Pizza (ganz lecker sogar) und eine Diet Coke - ein Wunder? Im Hintergrund spielt eine richtig gute Rockabillyband tierisch laut und gekonnt auf einer Riesenbühne quasi auf dem Bürgersteig für eine hüpfende, tanzende, singende und ausgelassene Masse Menschen. Echt coole Mucke - ein Lichtblick?
Irgendwie haben wir beide das Gefühl, dass wir hier in dieser Menge fehl am Platze sind und so erreichen wir das Venetian. Alles ist besser, als hier weiter rumzuschieben, also rein mit uns. Auch hier umgibt uns unüberschaubare Größe und Pracht - das hat aber wirklich Stil. Für die in allen Hotels deutlich angenehm spürbare Kühlung brachen die bestimmt je ein Extrakraftwerk, Mit offenem Mund nehmen wir den gigantischen Bau wahr. Wegen der zu überbrückenden Entfernungen bewegen wir uns auf Laufbändern fort, wie man sie z.B. vom Frankfurter Flughafen her kennt. Dass sich diese Bänder ganz geschmeidig auch im Halbbogen über Brücken hinauf und hinabwölben, wundert uns schon nicht mehr. Irgendwie entkommen wir dem Casino, in dem hunderte oder tausende Automaten, Daddelmaschinen, einarmige Banditen und unzählige „echte“ Roulett-, Black Jack- und Pokerspieltische von zumeist gelangweilt wirkenden (gelassenen?), manchmal aufgeregten Menschen traktiert werden.
Im Shoppingbereich sind alle Nobelmarken vertreten, nichts für unseren Geldbeutel. Das Ambiente hat aber was, von den Fresken und Deckengemälden mal zu schweigen. Alles ist sehr edel im venezianisch-italienischen Stil gestaltet. Schön! Da: eine Fotoausstellung! Überdimensionale und aufwändig gerahmte Fotos ziehen uns an: „unsere“ Nationalparks aus Utah und Arizona, die Antelope-Canyons, Grand Canyon, Bryce Canyon, Arches etc. Und was für Fotos! Mit diesem Peter Lik muss ich mich nochmal näher beschäftigen - sagenhaft! Hier sind wir plötzlich zu Hause. Um die Ecke haben wir das Gefühl, wieder „nach draussen“ zu kommen. Über einer netten Restaurant- und Ladenzeile wölbt sich ein dämmriger, weiter Himmel. Nun hatten Bärbel und Jürgen ja schon vorgewarnt: der Himmel ist gemalt, die Atmosphäre aber wirklich klasse. Nun sind wir auch an den Kanälen angekommen, auf denen Gondeln dahingleiten. Schmachtende Paare lassen sich von Gondolieres fahren, die mit Inbrunst italienische Schmonzetten singen - auch das hat was. Wir setzen uns an eine Bar, schauen auf das Treiben und es geht uns plötzlich viel besser. Die Getränke schmecken und wir schlendern durch Venedig - Las Vegas ist fast vergessen. Klar: auch das hier ist Teil des Spiels - aber wirklich gut gemacht und sehr beeindruckend.
Irgendwann reissen wir uns los, laufen weiter und kommen zum Wynn. Hier wollte ich eigentlich gerne rein, aber gegenüber ist Treasure Island. Ist das nicht die Sache mit der Seeschlacht? Klar: da liegen auch schon in Lebensgröße zwei „alte“ Segelschiffe in der Bucht vor dem Hotel. Und es kommt auch schon Leben in die Szenerie: auf dem einen Schiff tanzen und singen leicht bekleidete „Sirenen“ herum, das andere setzt sich in Bewegung und schafft das Piratenpack heran. Irgendwie kommt man zusammen, singt, tanzt miteinander und neckt sich mal hier, mal da. Aber so einfach ist es auch nicht, schließlich kämpft man ja auch miteinander. Und das nicht nur so mit Degen und Säbel, sondern auch mit Kanonen und Schießpulver. Schließlich sind wir hier in Amerika und wenn man um die Ecke mit einer AK 47 o.ä. nach Wunsch ballern kann wie bei uns in der Kirmesschießbude mit dem Luftgewehr ... Ich schweife ab, sorry. Es knallt und kracht jedenfalls und die Flammen schlagen mit einer Wucht hoch, dass es mir die spärlichen Bartstoppeln versengt. Irgendwann geht der Piratenkahn mit Mann und Maus im Nebelschwaden und Feuergefecht unter - nee is klar ...
Ich glaube, sie haben sich aber wieder vertragen und nach 25 oder 30 Minuten ist der Spuk vorbei. Nun ist Rückweg auf dieser Straßenseite angesagt, die Füße tun uns schon weh. Am Mirrage kommen wir vorbei wo einst Siegfried und Roy mit den weißen Tigern schäkerten. Hier in diesem beeindruckend großen Becken bricht also abends regelmäßig der Vulkan aus und spuckt seine glühende Lava in die Luft? Für heute ist schon Sendeschluss, wie auch am Bellagio, das für seine Wasserspiele und Fontänen berühmt ist. Dazwischen ist Cesaers Palace und ich bin sicher, dass wir rd. 1 km gelaufen sind, bevor wir die Front aus Forum, Palästen, Brunnen, Becken etc. abgelaufen haben. Auch wenn hier keine Vorführungen mehr stattfinden, ist die Menschenmenge nicht weniger geworden.
Irgendwie gelangen wir jedenfalls wieder Richtung MGM, der Eifelturm, der das Straßenbild bestimmt und „nur“ eine 50%ige Kopie des Originales ist, gibt uns Orientierung. Hundskaputt erreichen wir gegen 1 Uhr nachts Motel und Bett. Mein GPS-Tracker zeigt eine abendliche Laufstrecke von 11,66 km an - nicht inbegriffen sind die Wegstrecken in den Casinos, denn da zeichnet das Teil nicht mit. Die Nacht haben wir uns verdient. Bei Einschlafen wird uns beiden klar, das sich der Abend zum Guten gewendet hat. Die Zeit im Venetien hat uns „ankommen“ lassen. Gut so, weiter so?